Während der Proben zur Aufführung von "Was ihr wollt" besuchte uns Herr Maryanto Fischer vom Hanauer Anzeiger.

Montag, 11. April 2006

 

Dienstag, 12. April 2006

 

Lust bleibt immer wieder Lust
Theatergruppe "Characters" bringt "Was ihr wollt" auf die Bühne - "Mutter" der Verwechslungskomödie

Ein Summen geht durch den Raum.
"Ihr sollt euren ganzen Körper vibrieren spüren", ruft Matthias Mayer. Mit dem Amateurtheater "Characters" arbeitet er gerade an der Inszenierung des Shakespeare-Klassikers "Was ihr wollt". Viel Zeit bleibt nicht mehr bis zum großen Premierenabend - genug allerdings, um den Abend mit Sprech- und Improvisationsübungen zu beginnen. Nach dem Erfolg ihres Boulevardstücks "Othello darf nicht platzen" 2005 unternimmt das Ensemble nun einen Ausflug in die elisabethanische Renaissance, was sich viel schlimmer anhört, als es eigentlich ist.
Wenn Regisseur Mayer nämlich Einem entgegenwirken möchte, dann dem Vorurteil, Shakespeare eigne sich nicht für einen unterhaltsamen Abend. "Seine Werke sind keine verstaubte Literatur, sondern lebendiges Theater", betont er. Es gehe eben um Dinge, die das Leben vor 400 Jahren ebenso ausmachten wie heute: feiern, streiten, lieben, hadern.
Dass das Oeuvre Shakespeares gern mit dem Etikett "zeitlos" versehen wird, kommt nicht von ungefähr. Neben besagten Bezügen zu grundlegenden Pfeilern des zwischenmenschlichen Zusammenlebens bedienen die Komödien des Engländers nämlich vor allem das Bedürfnis zu lachen. "Wir möchten unser Publikum heiter sehen", sagt Matthias Mayer. Mit "Was ihr wollt" sollte dieses Ziel sicherlich zu erreichen sein.
Vergessen wir "Manche mögen's heiß" oder "Die tollen Tanten": Das Stück ist sozusagen die Urmutter der Verwechslungskomödie, die Hauptrolle nicht weniger eine Vorläuferin der Travestiekunst: Die schiffbrüchige Viola wird an den Strand des Reiches Illyrien gespült. Dort buhlt Herzog Orsino um die schöne Olivia. Die verliebt sich allerdings in Viola, die sich in Männerkleidung gehüllt als Bote am Hof herum treibt. Viola wiederum liebt ihren Herrn, der sie für einen Knaben hält. Und dann taucht auch noch ihr für tot erklärter Zwillingsbruder Sebastian auf, der natürlich direkt auf Olivia trifft. Im Stück begegnen sich die derbe Burleske und das höfisch Hochtrabende. Die Welt der Säufer und Prasser steht der Welt der Musen gegenüber und ist dennoch mit ihr vereint.
Dazwischen ein Haufen Verliebter, die am Ende auf jeden Fall das bekommen, was sie gerade nicht wollen. Der Mordslust seiner Tragödien setzte Shakespeare hier das Drama des Liebesrausches und der Verblendung entgegen und ergießt sich dabei in einer komischen Vielfalt zahlreicher Spielarten der Liebe. Die mittelalterliche Ausstattung für die Inszenierung haben sich die "Characters" aus dem Bestand der Stadt Gelnhausen geliehen. Größtenteils bedienen sie sich bewusst klassischen Übersetzungen.
Der Narr dagegen wird, als Kontrapunkt konzipiert, eine moderne Sprache sprechen. "Besonders den Schluss möchten wir aus sehr ironischer Perspektive beleuchten", erklärt Mayer. Nur das Kippen in die Meldoramatik erlaube ein glaubwürdiges Finale. "Eigentlich ist es ja absurd: da lieben sie sich alle abgöttisch und dann wird in wenigen Minuten ein umfassendes 'Bäumchen-wechsel-dich' betrieben!"
Im Beziehungsdreieck des lüsternen Illyriens sind zahlreiche Lacher garantiert, vielleicht auch deshalb, weil der Mensch des 21. Jahrhunderts sich längst sein eigenes erschaffen hat. So bleibt Lust eben Lust und Liebe ein Phänomen, das auch dann unergründbar erscheint, als die Masken im "Was-ihr-wollt-Zirkus" schließlich fallen. (...)