Obszönes Vökabular,
liebenswerte Figuren

Langenselbolder Theatergruppe „Charakters“ mit „Geliebte Aphrodite“

Langenselbold. Es war nicht so, dass es keine Warnung gegeben hätte. „Wenn wir mit diesem Stück nicht Ihren sittlichen Anstand verletzen, dann haben Sie keinen“ — mit diesen Worten bereitete Matthias Mayer von der Theatergruppe „Characters“ in Langenselbold am vergangenen Samstag das Publikum auf das vor, was sich in den nächsten zwei Stunden auf der Bühne der Klosterberghalle in Langenselbold abspielen sollte.
Und zur Sicherheit gab es auch im Programmheft schon einmal einen Vorabdruck der Ausdrücke zu lesen, derer sich die Schauspieler während der Auführung bedienen und die nicht unbedingt zum Standardvokabular des Durchschnittsbürgers gehören.

Mit der Aufführung von „Geliebte Aphrodite“ nach einem Drehbuch von Woody Allen hat sich die Langenselbolder Theatergruppe in diesem Jahr an ein vielversprechendes Stück herangewagt, das sich mit hochbegabten Adoptivkindern, komplizierten Ehen und dem ältesten Gewerbe der Welt befasst und eine Verbindung moderner Probleme mit antiken Stoffen schafft.

Erzählt wird in diesem Stück, für dessen Verfilmung Woody Allen 1995 eine Oscar-Nominierung erhielt und Mira Sorvino mit einem Oscar für die beste Nebendarstellerin ausgezeichnet wurde, die Geschichte des Sportreporters Lenny Weinrib. Lenny lässt sich auf Drängen seiner Frau Amanda zur Adoption eines Kindes überreden, Max, der, wie sich herausstellt, ein hochbegabtes Kind ist. Als es in der Ehe von Lenny und Amanda zu kriseln beginnt, macht sich Lenny, getragen von der Vorstellung, einen ganz außergewöhnlichen Menschen zu treffen, auf die Suche nach der leiblichen Mutter seines Sohnes. Und von dem Moment an, in dem Lenny in Form von Linda auf das Objekt seiner Begierde trifft, wird es verbal ziemlich deftig, denn Linda ist Prostituierte und Schauspielerin in nicht ganz jugendfreien Filmen. Sie ahnt nicht, wen sie da vor sich hat und bringt mit der eindeutigen Begrüßung „Bist du meiner für um drei?“ Lennys vorgefertigtes Bild von ihr zum Einsturz. Die folgende Unterhaltung der beiden zerstört Lennys illusionen völlig. Zwischen überdimensionalen Dildokissen und einem neuen Wecker, den Linda „zum pissen“ findet, berichtet sie Lenny von ihrem Leben zwischen prügelnden Ersatzvätern und Schauspielerfahrungen in Filmen wie „Die Pflaume im Glück“.

Die Darstellung des Aufeinanderprallens zweier Welten mit dem schüchternen, leicht schusseligen und sehr moralischen Lenny auf der einen und der naiven, mit einer äußerst direkten Art gesegneten Linda auf der anderen Seite honorierte das Publikum mit begeistertem Applaus.

Dabei wird tief in die Klischeekiste gegriffen. Während Lenny stets im groß karierten Sakko agiert, trägt sich Linda durch ein Sortiment bemerkenswert geschmackloser Kleidungskombinationen, von transparent bis Leopardenlook. Auch der Boxer Kevin ist bis an die Schmerzgpenze der Muskelmann mit hohler Birne („Bud, das ist doch die Rechte und das die Linke?“) und als Linda und Lenny schließlich übereinander herfallen und das rote Schummerlicht immer röter wird, ist der Höhepunkt der Klischeehaftigkeit erreicht und die Zuschauer konnten vor Lachen kaum noch an sich halten.

Die Schauspieler der Theatergruppe liefern eine äußerst überzeugende Darstellung der Charaktere. Matthias Mayer ist ganz der tollpatschige Intellektuelle auf der Suche nach einem Sinn, den er nie finden wird und Daniela Klein gelingt das Kunststück, die Figur der Linda trotz zweifelhaftem Lebenswandel und ordinärem Vokabular unglaublich liebenswert erscheinen zu lassen. So präsentierte sich dem Publikum am Samstag die gelungene Darstellung einer tragisch-komischen Geschichte, die einmal mehr zeigt, wie nahe Lachen und Weinen beieinander liegen.

Der Ausgang der Geschichte soll an dieser Stelle nicht verraten werden, stattdessen seien allen Interessierten zwei Termine ans Herz gelegt: Am Freitag, 26. Septem ber, um 20 Uhr, sowie am Samstag, 27. September, ebenfalls um 20 Uhr ist diese herzerfrischende Komödie nochmals in der Klosterberghalle in Langenselbold zu sehen.

Nicole Schmidt (HA/jp)